Asyl, Paris oder der IS: Flüchtlinge und Terroranschläge sind Top-Themen des Jahres 2015  [07.12.15]

Die aktuellen Flüchtlingszahlen und wie sich die Zuwanderung etwa auf die Gesellschaft auswirkt ist das Thema in den Medien, das die Menschen 2015 am meisten beschäftigt. Das Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim und die ING-DiBa AG haben in einer repräsentativen Studie über 1.000 Bürger befragt. Zweitstärkstes Thema 2015: die Anschläge auf Paris und die damit verbundene Angst vor dem islamischen Terror.

Frau Prof. Dr. Dr. habil. Claudia Mast | Universität Hohenheim/Fakultät WISO/Oskar Eyb

 

Andere große Themen wie Griechenland, der VW-Skandal oder die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft treten dagegen fast völlig in den Hintergrund, so das Ergebnis der Studie.

2014 nennen gerade mal 8,3 % der Studienteilnehmer das Thema Flüchtlinge. Nun halten 62,2 % der befragten Bürger es für das Top-Medienthema des Jahres 2015 – mehr als sieben Mal so viele wie noch vor einem Jahr.

„Angesichts der umfangreichen Berichterstattung über die Migrationsbewegungen dieses Jahres ist das Umfrageergebnis nachvollziehbar und nicht sehr überraschend“, sagt Prof. Dr. Mast, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. „Eindrucksvoll hingegen sind die Perspektiven der Menschen zum Flüchtlingsthema, also welche Aspekte sie hierzu im Einzelnen ansprechen. Hier gibt es eine große Bandbreite von Perspektiven – von der Skepsis, ob Deutschland das überhaupt schaffen kann, über die Unzufriedenheit mit den politischen Entscheidungsträgern bis hin zum Mitgefühl für die Flüchtlinge.“

Insgesamt wurden 1.029 Bürger für die repräsentative Bevölkerungsstudie befragt. Die Frage nach den Top-Medienthemen des Jahres wurde offen gestellt, d. h. ohne Antwortvorgaben. Der Erhebungszeitraum ging von 16. bis 19. November 2015, die Datenerhebung fand durch forsa (Berlin) statt. Die Ergebnisse entstammen einer Gemeinschaftsstudie des Fachgebietes für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim (Stuttgart) und der ING-DiBa AG (Frankfurt).

 

Skepsis, Sorge und Verunsicherung weit verbreitet

Die meisten Nennungen beim Thema Flüchtlinge sind durch Skepsis, Sorge und Verunsicherung der Bevölkerung gekennzeichnet: Mehr als ein Viertel der Menschen (26,1 %), die dieses Thema ansprechen, fragen sich dabei nicht nur, wie Deutschland das schaffen und die Integration handhaben soll. Auch die Frage nach der Integrationsbereitschaft der Flüchtlinge und ihrer Akzeptanz gegenüber der politischen und rechtlichen Ordnung in Deutschland beschäftigt diese Bürger.

Ein Fünftel der Befragten (19,7 %), die das Thema Flüchtlinge nennen, signalisiert Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, während lediglich 1,4 % es ausdrücklich in Verbindung mit Chancen ansprechen, die sich daraus für Deutschland ergeben können.

Jeder siebte dieser Bürger (14,8 %) ist unzufrieden mit der Art und Weise, wie die deutsche Politik bzw. die Regierung mit dem Flüchtlingsthema umgeht. Positive Stimmen gegenüber der deutschen aber auch den Regierungen von anderen Ländern liegen unterhalb der Ein-Prozent-Marke.

13,3 % der Bürger, die das Flüchtlingsthema als beherrschendes Medienthema sehen, beschäftigt ganz konkret die Frage, wer die Personen sind, die nach Deutschland einreisen, und ob sich unter ihnen Terrorkämpfer des Islamischen Staates befinden könnten. Für Prof. Dr. Mast machen diese Fragen klar: „Dahinter steht die eindeutige Erwartung an die Politik, für eine vollständige und schnelle Registrierung der Einreisenden zu sorgen und ebenso klar zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen zu unterscheiden.“ 8,1 % dieser Bürger sagen bereits jetzt, dass Deutschland überlastet ist und die Grenzen geschlossen werden müssen, so ebenfalls ein Ergebnis der Studie.

 

Platz 2 im Ranking: die Anschläge von Paris

Das zweite dominante Thema im Jahr 2015 ist laut Studie die Bedrohung durch den islamistischen Terror im Nachgang zu den Pariser Anschlägen (44,7 %).

Auch im Vorjahr beherrschten Angstthemen das Ranking der Befragung: von internationalen Krisen, über die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten bis hin zum islamistischen Terror in Syrien und im Irak. In diesem Jahr landete die Bedrohung durch Kriege und Konflikte ganz allgemein mit gerade einmal 6,9 % auf dem dritten Platz.

Im Vergleich zu den Themen Flüchtlinge und Terror spielen Entwicklungen wie die Pegida-Demonstrationen und fremdenfeindliche Proteste in Deutschland (Platz 4; 4,0 %) nur eine geringe Rolle, so das Ergebnis der Studie. Mit 3,3 % auf Platz fünf landete die Unzufriedenheit mit dem politischen System und den anderen Akteuren in unserer Gesellschaft.

 

Expertin fordert: Kritik und Zweifel nicht länger ignorieren

Die zwei großen Top-Themen – Flüchtlinge und Terroranschläge – drängen andere Ereignisse des Jahres 2015 fast völlig in den Hintergrund, auch wenn über sie umfangreich berichtet worden war. Jeweils unter drei Prozent der Befragten der Studie haben z. B. die Griechenlandkrise (2,8 %), die Skandale um die Vergabe der Fußball-WM (1,2 %) oder die Manipulation von Abgaswerten durch VW (0,6 %) angesprochen.

„Das Thema Flüchtlinge hat die gesamte Bevölkerung mit voller Wucht erfasst und beherrscht die Gespräche der Menschen“, fasst Studienleiterin Prof. Dr. Mast die Ergebnisse zusammen. „Viele Bürger bezweifeln, dass Deutschland das wirklich schaffen kann – und sie machen sich große Sorgen über die noch unausgesprochenen Konsequenzen für ihr Leben und ihre Zukunft. Ihre grundsätzliche Kritik und Zweifel kann man nicht länger ignorieren. Viele Menschen sehen eben das Flüchtlingsthema aus anderen Blickwinkeln als die politischen Eliten.“

Was bei dem vielschichtigen Thema Flüchtlinge in Deutschland fehle, sei ein offener Diskurs. Dazu gehörten auch unangenehme Themen, die den Bürgern auf den Nägeln brennen und eine Berücksichtigung beziehungsweise Einbeziehung der Bürgermeinungen. „Die Politik ist hier unter Zugzwang“, so Prof. Dr. Mast.

 

Hintergrund: Die Gemeinschaftsstudie

Die Gemeinschaftsstudie des Fachgebietes für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG erhebt seit 2011 jährlich, welche Themen in den Medien die Bürger im betreffenden Jahr am meisten beschäftigt haben. Die Frage nach den Top-Themen wird jeweils am Jahresende in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage gestellt. Diese Erhebung ist Teil der Langzeituntersuchung „Wirtschaftskommunikation – Innovationen und Trends“.

 

Hintergrund: Zur Person

Prof. Dr. Claudia Mast ist Inhaberin des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim. Sie ist federführend tätig bei der universitären Aus- und Weiterbildung von Journalisten, PR-Fachleuten und anderen Medienberufen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Wirtschaftsjournalismus, strategische Kommunikationsplanung und wertorientiertes Kommunikationsmanagement. Claudia Mast ist Mitglied zahlreicher Gremien und hat renommierte Fachbücher publiziert, u. a. das Handbuch für Redaktionen „ABC des Journalismus“ sowie den Leitfaden für Public Relations „Unternehmenskommunikation“.

 

Hintergrund: Zur ING-DiBa AG

Die ING-DiBa ist mit mehr als 8 Millionen Kunden die drittgrößte Privatbank in Deutschland. Die Kerngeschäftsfelder im Privatkundengeschäft sind Spargelder, Wertpapiergeschäft, Baufinanzierungen, Verbraucherkredite und Girokonten. Das Institut ist jeden Tag 24 Stunden für seine Kunden erreichbar. Im Segment Commercial Banking ist das Firmenkundengeschäft der Bank zusammengefasst. Zu den Kunden gehören große, international operierende Unternehmen. Für die ING-DiBa arbeiten an den Standorten Frankfurt (Hauptstandort), Hannover, Nürnberg und Wien rund 3.500 Mitarbeiter.


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