Internet und Privatsphäre: Nutzer geben mehr Privatinformationen preis – gleichzeitig wächst Bedürfnis nach Privatsphäre  [03.02.14]

Ratschläge einholen, Informationen erhalten, Trost suchen: Diese Vorteile von Sozialen Netzwerken sehen Internetnutzer zunehmend als echten Gewinn an, so das Ergebnis einer Studie des Lehrstuhls für Medienpsychologie der Universität Hohenheim.

Bedürfnis nach Privatsphäre wächst, doch es gleichzeitig wird viel Privates preisgegeben

Um zu untersuchen, wie sich das Online-Verhalten der Gesellschaft verändert, ließen die Wissenschaftler um Prof. Dr. Sabine Trepte eine Gruppe von über 327 Nutzern zwei Jahre lang wiederholt befragen. Während der zwei Jahre waren die Befragten immer mehr bereit, auch persönliche Informationen von sich im Internet weiterzugeben. Gleichzeitig berichteten aber auch zunehmend mehr Nutzer, dass sie ein wachsendes Bedürfnis nach Privatsphäre und Rückzugsräumen hätten. Befragt, wie sich die Online-Netzwerke auf ihr Lebensglück insgesamt auswirken, zeigte die Studie auch im Laufe der Jahre keine Veränderung: Demnach haben die sozialen Netzwerke das Leben der Befragten zwar verändert, allerdings weder verbessert noch verschlechtert. Vollständiger Research-Report zur Studie „Privacy, Self-Disclosure, Social Support and Social Network Site Use“ unter opus.ub.uni-hohenheim.de/volltexte/2013/889/

Von 2009 bis 2013 erhoben und analysierten Prof. Dr. Sabine Trepte, Dipl.-Psych. Tobias Dienlin und Jun.-Prof. Dr. Leonhard Reinicke (Universität Mainz), wie Facebook, Twitter und andere Netzwerkseiten das Online-Verhalten und soziale Aspekte ihrer Nutzer veränderten. Dazu beobachteten sie eine Gruppe von 327 Online-Nutzern zwei Jahre lang. Alle sechs Monate füllten die Teilnehmer einen speziellen Fragebogen aus. Insgesamt wurden vier Befragungen durchgeführt.

Die Studienteilnehmer fanden die Forscher durch einen Aufruf auf Facebook und Studi-VZ, den damals führenden Netzwerken. Die Stichprobe sei daher nicht repräsentativ für die gesamte Gesellschaft, jedoch ein typisches Abbild von Online-Nutzern, so Prof. Dr. Trepte: „Das Durchschnittsalter liegt bei 26 Jahren mit einem Schwerpunkt auf jungen, gut ausgebildeten Teilnehmern. Ältere Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau waren jedoch ebenfalls repräsentiert.“

 

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:

Netzwerker erhalten reale Unterstützung

Während der zweijährigen Untersuchung hätten sich Soziale Netzwerke nachweislich tiefer im Sozialleben der Testgruppe verankert und auch deren Verhaltensweise verändert: „Die Bereitschaft, auch online vor Freunden über sich selbst zu reden, ist in den untersuchten zwei Jahren stark gestiegen“, so Prof Dr. Trepte.

Einen Grund dafür sieht die Medienpsychologin in einem weiteren Studienergebnis, wonach die Teilnehmer im Laufe der Zeit zunehmend von den sozialen Netzwerken profitierten: „Der virtuelle Austausch bringt den Menschen ganz realen Nutzen. Sie holen sich zum Beispiel Rat und Trost im virtuellen Freundeskreis.“

 

Offenheit zahlt sich aus – ist aber nicht ungefährlich

Ein weiteres Ergebnis: Menschen, die auch online authentisch auftreten, erhalten mehr soziale Unterstützung. „Diese Menschen sind insgesamt zufriedener mit ihrem Leben und haben eine generell positivere Gefühlslage“, berichtet die Studienleiterin.

Allerdings sei die Selbstoffenbarung im Netz auch nicht ungefährlich: Nutzer, die mehr persönliche Informationen auf ihrem Profil angaben, berichteten auch über mehr negative Erfahrungen auf sozialen Netzwerkseiten. „Wer sich auf Internetseiten aktiv einbringt, kann auf der einen Seite positive Dinge wie soziale Unterstützung erfahren, auf der anderen Seite dadurch auch vereinzelt Rückschläge, Enttäuschungen oder Verletzungen erleben – hier funktioniert Online-Kommunikation wie Offline-Kommunikation.“

 

Bedürfnis nach Rückzugsräumen steigt

Gleichzeitig stellten die Wissenschaftler auch einen gegenläufigen Trend fest: Trotz zunehmender Selbstoffenbarung nahm aber auch das Bedürfnis nach Privatsphäre, beispielsweise durch unbeobachtete Rückzugsräume, signifikant zu.

„Um das Bedürfnis nach Privatsphäre zu messen, haben wir den Teilnehmern Testaussagen vorgelegt und gefragt, wie weit sie den Aussagen zustimmen. Dazu gehörten Sätze wie: ‚Mir ist es lieber, wenn andere Leute nur wenig über mich wissen’ oder ‚Ich brauche Zeit für mich allein, um mit mir selbst im Reinen zu sein’. Über die zwei Jahre zeigt sich der deutliche Trend, dass solche Rückzugsräume immer wichtiger werden. Dieses Phänomen durchzieht dabei das gesamte Privatleben“, berichtet Prof. Dr. Trepte.

 

Generelles Lebensglück lässt sich durch virtuelle Netzwerke nicht steigern

Deutlich sei auch, dass die verschiedenen Verhaltensweisen und Selbsteinschätzungen eng miteinander verknüpft seien. „Menschen, die authentisch auftreten, haben mehr sogenanntes Sozialkapital, eine höhere Lebenszufriedenheit und ein geringeres Bedürfnis nach Privatsphäre. Auf der anderen Seite steht ein Menschentypus, der ungern Einblicke in seine Gefühlslage gibt, sich mehr Privatsphäre wünscht, aber auch weniger soziale Unterstützung erfährt und insgesamt eine negativere Gefühlslage vorweist“, resümiert Prof. Dr. Trepte.

Die Studie zeige zuletzt, dass sich soziale Ressourcen von Menschen immer mehr ins Netz verlagerten.

„Wir können hier eine Verschiebung feststellen: Die Selbstoffenbarung im Netz steigt, die Studienteilnehmer finden online vermehrt soziale Unterstützung und bewerten diese zunehmend positiv. Als Ergebnis nimmt gleichzeitig das Sozialkapital aus Offline-Beziehungen leicht ab.“ Die Forscherin betont, dass es sich hierbei allerdings nur um eine Umschichtung handle: „Als wir die Nutzer fragten, wie zufrieden sie mit ihrem Leben insgesamt waren, konnten wir hier keine signifikante Veränderung feststellen“, so Prof. Dr. Trepte.


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