Studie der Universität Hohenheim: Ausgang der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart ist völlig offen  [27.09.12]

Umfrage des Instituts für Kommunikationswissenschaften untersucht Interesse am OB-Wahlkampf, Vorstellungen vom „idealen OB“, Bewertungen der OB-Kandidaten sowie Wahlabsichten

Bild: Thomas Siepmann/pixelio

Interesse am Oberbürgermeister-Wahlkampf ist relativ groß

Gut zwei Drittel der Befragten geben an sich für die Oberbürgermeisterwahl zu interessieren; 47 Prozent sogar „sehr stark“ oder „stark“. So hoch war auch die Wahlbeteiligung bei der letzten Oberbürgermeisterwahl 2004 im ersten Wahlgang (46 %). Überdurchschnittlich groß ist das Interesse bei den Anhängern der Grünen und der CDU. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Hohenheimer Kommunikationswissenschaftlers Prof. Dr. Frank Brettschneider.

Bekanntheit der Kandidaten

Mit 76 Prozent ist der Grüne Fritz Kuhn laut Studie der bekannteste Kandidat. „Fritz Kuhn profitiert von seiner langjährigen Präsenz in der Landes- und der Bundespolitik“, sagt Prof. Dr. Brettschneider. Der von der CDU, der FDP und den Freien Wählern unterstützte Parteilose Sebastian Turner sei 65 Prozent der Befragten bekannt. „Für ihn zahlt sich aus, dass er seinen Wahlkampf sehr frühzeitig begonnen hat“, so Prof. Dr. Brettschneider. Von Hannes Rockenbauch (SÖS) haben 58 Prozent bereits etwas gehört. Die von der SPD unterstützte Parteilose Bettina Wilhelm kommt auf 54 Prozent Bekanntheit.

Eigenschaften des „idealen Oberbürgermeisters“

Die Kommunikationsforscher der Universität Hohenheim haben auch danach gefragt, wie sich die Bürgerinnen und Bürger in Stuttgart den „idealen Oberbürgermeister“ wünschen. Demnach muss der „ideale Oberbürgermeister“ vor allem eines sein: vertrauenswürdig. 95 Prozent der Befragten halten diese Eigenschaft für „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Außerdem soll er tatkräftig sein (87 %) und ein „gutes Konzept für die Zukunft Stuttgarts“ haben (86 %). Auch Bürgernähe ist gefragt (77 %) und ein „gutes Konzept für die Wirtschaft“ (77 %).

Eigenschaftsprofile der Kandidaten

Aus Sicht der Befragten erfüllt keiner der Kandidaten sämtliche Eigenschaften eines „idealen Oberbürgermeisters“. Bei allen vier Kandidaten zählt allerdings „Tatkraft“ zu den drei jeweils am besten bewerteten Eigenschaften. Bei Fritz Kuhn, Bettina Wilhelm und Hannes Rockenbauch finden sich unter den drei am besten bewerteten Eigenschaften auch die Persönlichkeitsmerkmale „Charakter“ und/oder „Vertrauenswürdigkeit“ und/oder „Bürgernähe“. Im Profil von Sebastian Turner befinden sich unter den drei am besten bewerteten Eigenschaften zwei Kompetenzen: „Wirtschaftskompetenz“ und „gutes Konzept für die Zukunft Stuttgarts“.

Themen

Der neue Oberbürgermeister soll sich gemäß Studie vor allem um Schulpolitik und um bezahlbaren Wohnraum kümmern. Jeweils 77 Prozent der Befragten halten es für „sehr wichtig“ oder „wichtig“, dass er diesen Themen besondere Aufmerksamkeit schenkt. Es folgen die Verkehrspolitik und die Kinderbetreuung (jeweils 73 %). Den CDU-Anhängern ist die Wirtschaftsförderung besonders wichtig. Bei ihnen ist auch die Bekämpfung von Kriminalität unter den fünf Top-Themen. Die Themenpräferenzen der Grünen- und der SPD-Anhänger sind sich sehr ähnlich: Schulpolitik, bezahlbarer Wohnraum, Kinderbetreuung und Verkehrspolitik belegen die ersten vier Plätze. Bei den Grünen-Anhängern folgt die Integrationspolitik auf Platz 5, bei den SPD-Anhängern die Energieversorgung.

Im ersten Wahlgang: zwei Kopf-an-Kopf-Rennen

„Aussagen über den Wahlausgang lassen sich noch nicht treffen“, so Prof. Dr. Brettschneider. Die Studie ergab, dass sich 48 Prozent der Befragten noch nicht entschieden haben, wen sie wählen wollen. Unter den 52 Prozent der bereits entschiedenen Befragten gibt es zwei Kopf-an-Kopf-Rennen. Fritz Kuhn und Sebastian Turner liegen der Umfrage zufolge zwischen 32 und 38 Prozent. Hannes Rockenbauch und Bettina Wilhelm liegen zwischen 12 und 17 Prozent. „Dabei handelt es sich aber lediglich um eine Momentaufnahme. Bis zum Wahltag am 7. Oktober kann sich noch Einiges ändern“, betont der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Brettschneider. Erfahrungsgemäß entschieden sich viele Menschen erst wenige Tage vor der Wahl, ob sie überhaupt zur Abstimmung gehen – und wem sie dann ihre Stimme geben. Lediglich eines scheine sich bereits abzuzeichnen: „Eine Entscheidung im ersten Wahlgang ist eher unwahrscheinlich“, meint Prof. Dr. Brettschneider.

Entscheidung fällt voraussichtlich im zweiten Wahlgang

Für den Sieg im ersten Wahlgang benötigt ein Kandidat mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen. Kommt keine absolute Mehrheit zustande, findet am 21. Oktober der zweite Wahlgang statt. Anders als bei einer Stichwahl zu der nur die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen antreten dürfen, können im zweiten Wahlgang alle Kandidaten nochmals antreten. Im zweiten Wahlgang genügt dann die relative Mehrheit: Es gewinnt, wer mehr Stimmen als jeder seiner Mitbewerber erhält.

Zur Methode

An der repräsentativen Befragung haben 764 wahlberechtigte Stuttgarterinnen und Stuttgarter teilgenommen, ihre Auswahl erfolgte nach dem reinen Zufallsprinzip. Die Befragung fand vom 12. bis zum 18. September 2012 statt. Befragte konnten telefonisch oder online antworten. Sie decken alle Bevölkerungsgruppen ab. Die Teilnehmenden sind zwischen 18 und 92 Jahren alt (Durchschnittsalter: 45 Jahre). 45 Prozent sind Frauen, 55 Prozent Männer. Die Teilnehmenden stammen aus allen Bildungsgruppen. Menschen mit hoher formaler Schulbildung haben an der Befragung überdurchschnittlich oft teilgenommen. Entsprechend hoch ist das Interesse an Politik. Unter den Befragten sind 40 Prozent Gegner von „Stuttgart 21“, 50 Prozent Befürworter und zehn Prozent, die bei „S21“ unentschieden sind. Anhänger sämtlicher Parteien sind ebenso vertreten wie Menschen ohne Parteineigung. 63 Prozent der Befragten geben an längerfristig einer Partei zuzuneigen. Von diesen Personen neigen 35 Prozent der CDU zu, 32 Prozent den Grünen, 21 Prozent der SPD, fünf Prozent der FDP, drei Prozent der Links-Partei und jeweils zwei Prozent der Piraten-Partei bzw. sonstigen Parteien.


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