Forschung hautnah: Johannes Kolb, M.Sc.

Johannes Kolb ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensfinanzierung (510 E) an der Universität Hohenheim. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt auf Mergers & Acquisitions (M&A) und der Rolle, die Investmentbanken in Unternehmensübernahmen spielen. Herr Kolb wird ab September für 3 Monate mit einem Stipendium des DAAD-geförderten „Thematischen Netzwerk Innovation, Entrepreneurship und Finanzierung (INEF)“ an der Texas A&M University in den USA forschen. Johannes Klenk sprach mit ihm über seine Forschung.

Johannes Klenk: Was ist Ihr Forschungsthema? Worum geht es in Ihren Untersuchungen?

Johannes Kolb: Grundsätzlich interessiere ich mich für Corporate Finance Themen. In meinem ersten Forschungsprojekt habe ich den klassischen Börsengang mit einer innovativeren Art an die Börse zu gehen verglichen – den „Special Purpose Acquisition Companies“. Das daraus entstandene Forschungspapier wurde kürzlich im Journal of Corporate Finance zur Publikation akzeptiert.[1] Des Weiteren spielen Unternehmensübernahmen in meiner Forschung eine bedeutende Rolle. Ich untersuche, welchen Einfluss die Qualität der beratenden Investmentbank auf den Erfolg der Übernahme hat. Die Beratung durch Top-Banken kostet erheblich mehr Geld als durch andere – fraglich ist, ob die beteiligten Unternehmen und deren Aktionäre von diesem Aufschlag profitieren.

Unternehmensübernahmen werden in der Öffentlichkeit eher kritisch gesehen, denn es gibt viele prominente Beispiele bei denen Übernahmen langfristig nicht erfolgreich waren. Ein oft erwähntes Beispiel aus unserer Region dafür ist die Fusion von Daimler und Chrysler. Der finanzwirtschaftliche Blick ist differenzierter. Die Frage lautet: Wird Wert für Aktionäre der beteiligten Unternehmen generiert oder vernichtet? Für die Seite der Zielunternehmen ist die Antwort relativ klar – dort wird durch Übernahmen meistens Wert generiert. Mein Fokus sind aber die Käuferunternehmen. Die bisherige Forschung kommt hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. Im Idealfall können aber bei Übernahmen beide Seiten gewinnen, wie zum Beispiel durch die Realisierung von Synergien. Unternehmensübernahmen sind extrem komplexe Vorgänge und ihr Erfolg hängt von zahlreichen Faktoren ab. Investmentbanken können durch ihre Erfahrung und spezialisierte Kenntnisse die Unternehmen während des gesamten Prozesses unterstützen. Eine wichtige Frage ist, ob Investmentbanken tatsächlich den Erfolg einer Übernahme maßgeblich beeinflussen können.

Existierende empirische Studien kommen hinsichtlich der Frage ob die Beteiligung von Top-Banken sich positiv auf den Erfolg von Übernahmen auswirkt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ich habe daher ein neues Maß entwickelt, um die Qualität von Investmentbanken präziser messen und um Top-Banken genauer identifizieren zu können. Die Ergebnisse deuten tatsächlich darauf hin, dass die höheren Kosten der Top-Banken gerechtfertigt sind. Sowohl kurz- als auch langfristig scheinen Top-Banken im Vergleich zu mittelmäßigen Investmentbanken für deren Kunden nicht nur mehr Wert, sondern auch höhere Synergien zu generieren.

Klenk: Was finden Sie persönlich als Forscher besonders spannend an Ihrem Thema?

Kolb: Zum einen finde ich das Thema reizvoll, weil ich selbst nach meinem Studium einige Zeit in der M&A Beratung gearbeitet habe. Die wissenschaftliche Arbeit und die damit verbundene Distanzierung waren und sind ein spannender Perspektivwechsel für mich. Für mich heißt Wissenschaft auch, gemeinsam mit anderen an einem „Big Picture“ zu arbeiten – das gefällt mir gut.

Ich finde aber auch interessant, dass bei Übernahmen im Idealfall ein Nettogewinn auf beiden Seiten realisiert werden kann. Wie und unter welchen Umständen dies gelingt, ist bisher nicht vollständig verstanden. Es gibt zwar verschiedene Erklärungsansätze, die aber keine übereinstimmenden Ergebnisse produzieren. Eine spannende Schnittstelle gibt es mit dem Bereich der Verhaltensökonomik, wo thematisiert wird, welche Einflüsse und Folgen nicht-ökonomisches menschliches Verhalten von zum Beispiel Managern in Übernahmen hat.

Eine weitere Motivation steckt für mich in den Herausforderungen des empirischen Arbeitens. Datenrestriktionen zu überwinden und empirisch belastbare Aussagen mit Hilfe von ökonometrischen Modellen zu meinen Fragen zu erarbeiten, finde ich persönlich sehr spannend. Mit den verschiedenen Datenbanken, die im Datenlabor Hohenheim (DALAHO) verfügbar sind, sind hier die Voraussetzungen für meine Arbeit sehr gut.

Klenk: Worin besteht die gesellschaftliche Relevanz des Forschungsprojekts bzw. der Ergebnisse?

Kolb: Übernahmen gehören mit zu den wichtigsten Treibern für die strategische Entwicklung von Unternehmen. Eine gelungene Übernahme, die Wert für Aktionäre generiert, trägt erheblich zum langfristigen Erfolg von Käuferunternehmen bei. Zusätzlich ergibt sich die Relevanz aus dem Finanzvolumen, das bei Unternehmensübernahmen bewegt wird. Wir reden hier weltweit von über 5 Billionen USD im vergangenen Jahr. Einen erheblichen Teil davon erhalten Investmentbanken als Gebühren. Des Weiteren sind Investmentbanken wichtige Player an den Finanzmärkten – deren Rolle und Bedeutung besser zu verstehen ist besonders vor dem Hintergrund interessant, dass Investmentbanken im öffentlichen Meinungsbild eher kritisch wahrgenommen werden.

Außerdem lassen sich aus der Forschung Empfehlungen für sinnvolle Regulierung ableiten. Ein Beispiel: In Europa wurde im Jahr 2006 die sogenannte „European Takeover Directive“ verabschiedet um die M&A Aktivität und damit zusammenhängende Gesetze in der Europäischen Union zu harmonisieren.  Die Auswirkungen dieser Regulierung schaue ich mir in einem weiteren Forschungsprojekt an. Es scheint, dass sich die Direktive eher negativ auf Käuferunternehmen auswirkt und es an dieser Stelle noch Nachbesserungsbedarf gibt.

Klenk: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in Texas!

[1] Kolb, Johannes, Tykvová, Tereza, Going public via special purpose acquisition companies: Frogs do not turn into princes, Journal of Corporate Finance (2016), dx.doi.org/10.1016/j.jcorpfin.2016.07.006